Wenn Weihnachtsgeschichten wahr werden

Ich erinnere mich an Weihnachtsgeschichten über arme Menschen, die einsam lebten und denen zu Weihnachten Geschenke oder Einladungen überbracht wurden. Sie kamen mir meist veraltet vor und hatten wenig mit unserer Wirklichkeit in der Schweiz zutun. Ich habe sie den Missen trotzdem vorgelesen, weil es mich zuweilen schwierig dünkte, schöne Weihnachtsgeschichten zu finden. 
Und nun sind wir hier in Kenia und urplötzlich sind diese Geschichten überhaupt nicht mehr fern oder lebensfremd. Im Gegenteil. Wir brauchen nur unsere Augen offen zu halten, und die Menschen ohne Güter sind da. 
Fast täglich begegne ich auf meiner Laufrunde einem Mann. Er lebt in einem schäbigen Häuschen ohne Fenster direkt am Ufer des Weihers. 



Der Mann ist fast beängstigend mager, sein Alter ist schwierig zu schätzen und kann zwischen 40 und 70 liegen, meist trägt er Gummistiefel und seine Panga, mit der er im Verlaufe des Tages irgendwelche Arbeiten auf der Farm ausführt. Über ein freundliches Jambo sind wir nie herausgekommen. 
Nun weiss ich nicht, ob es diese alten Weihnachtsgeschichten waren, die mich schlussendlich auf die Idee brachten, dass wir ihm zu Weihnachten jeweils etwas bringen könnten. Und mittlerweile ist es fast zur Tradition geworden, dass wir eine Tasche mit Goodies füllen, am Nachmittag des Heilig Abend einen Spaziergang zu seiner Hütte unternehmen und sie hinbringen. 




Ich möchte nicht, dass sich unser Verhältnis verändert und er womöglich das Gefühl hat, er müsse uns dankbar sein. Und daher bringen wir die Sachen heimlich. Es ist schön, wenn wir uns dann trotzdem ausmalen, was für ein Gesicht er wohl macht, wenn er die Dinge entdeckt. Ob er so viel wie möglich auf einmal isst und trinkt und sich ein paar Mal so richtig den Magen vollschlägt (oder verdirbt), oder ob er eher zur besonnen Art gehört und sich die Sachen vernünftig einteilt, damit er möglichst lange etwas davon hat. 
Mit ziemlicher Sicherheit ahnt der Mann natürlich, dass die Kleinigkeiten von uns stammen, woher sollten sie auch sonst kommen. Dennoch tun wir beide so, als wäre nichts gewesen, grüssen uns freundlich und freuen uns ganz einfach, wenn wir uns begegnen.





Merry Krismasi 
Eure African queen
Irène  






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