Der Unfall auf der Limuru Road
Okay, jetzt hat’s mich also auch erwischt. Aber vier Jahre unfallfrei in Nairobi sind vermutlich schon ziemlich glücklich.
Ich bin auf dem Weg zurück von der Schule und wir alle kennen die Raserstelle an der Limuru Road im Rosslyn Valley. Eines der Matatus schert ein, ich bremse, aber der Wagen hinter mir ist zu nah und bäng, habe ich die Bullbar in der Stossstange. Na, bravo. Zum Glück sind wir bergaufwärts unterwegs und das Tempo ist daher nicht zu hoch. Ich steige aus, winke dem Fahrer, er solle den Wagen auch von der Strasse nehmen. Der Unfallverursacher sieht jung aus. Erkundigt sich sofort, ob ich okay sei und entschuldigt sich. Hm, bin ich okay? Ich glaube schon, stelle aber leicht entsetzt fest, wie meine Hände zittern.
Meine zweite Handlung nach dem Aussteigen ist der Anruf an den Richtigen. Gut. Nun weiss ich wenigstens, was ich tun soll. Paul muss als erstes sein Handy aufladen und macht das bei uns im Auto.
So ein Zusammenprall ist auch immer wieder ein Kulturaustausch. Während es bei mir vor allem darum geht, die Schuldfrage und alles Formelle zu klären, legt Paul besonders Wert darauf, sicherzustellen, dass wir in Ordnung sind, dass niemand verletzt wurde und dass er mich nicht mit Absicht getroffen hat. Well, I hope so! Ich bin etwas ungeduldig und habe irgendwie wenig Lust auf endloses Palaver. Mir scheint klar, dass er den Unfall nicht extra verursachte, dennoch ist es passiert und es ist sein Fehler! Daher reagiere ich reichlich genervt und fast schon aggressiv auf sein wiederholtes: „I really tried to avoid you, but I couldn’t. I did my best.“
„Yes, but obviously your best wasn’t good enough.“
So geht das eine Weile hin und her, wir reden aneinander vorbei und da unsere Prioritäten offensichtlich anders liegen, vergeht die Zeit. Irgendwann erkenne selbst ich in meinem erregten Schreckensschock, dass Paul wirklich nur das Beste will und es gut mit mir meint. Wir schliessen Frieden, ich fotografiere seine Versicherung, seinen Führerschein, den Schaden.
Sawa. Mittlerweile ist auch noch sein Cousin aufgetaucht, aber ich sehe keinen Grund mehr, länger an der Unfallstelle zu verharren. Besonders, da es regnet und die Zuschauermenge rapide zunimmt. Was mich angeht, ist alles Wichtige besprochen (er muss für den Schaden aufkommen, ich habe seine Angaben) und so können wir aufbrechen. Paul erkundigt sich noch einmal, ob ich okay sei und meint: „Let me hug you.“ Ach, was für ein lieber Kerl. Natürlich umarme ich ihn und hoffe nun einfach, dass auch der Rest so gentlemanlike gelöst werden wird....
Tutaonana
Eure African queen
Irène
1. Ps. Was womöglich das Beste an allem war, mehrere Freunde und Bekannte haben angehalten oder angerufen und sich erkundigt, ob sie mir helfen könnten. Ein wunderbares Gefühl, zu wissen, dass man nicht im Stich gelassen wird. Vielen, vielen Dank!
2. Ps. Kaum bin ich daheim, kriege ich bereits die erste Nachricht von Paul, ob ich gut nach Hause gekommen sei. Sehr fürsorglich. Und Humor hat er auch noch: Please tell your husband not to beat me up...
Well yes, I’ll do that. (If you pay...)
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