Der Klassiker
Es war eine
Frage der Zeit, bis mir das passieren würde. „Can I talk to you?“ Worte, die
meist nicht unbedingt Gutes erahnen lassen. Ich kenne nicht einmal ihren Namen,
treffe die Frau aber jeden Morgen in der Strasse und wir grüssen uns, haben
auch schon ganz kurz geplaudert. Sie ist mir von Anfang an aufgefallen, nicht
nur weil sie gross und stattlich ist, ein freundliches Gesicht und eine
positive Ausstrahlung hat, sondern auch, weil sie immer in einer Gruppe ging,
die ständig plauderte und lachte. Nun, ihre heitere Laune ist nicht mehr so
strahlend und heute Morgen hat sie mir auch verraten woran das liegt. Sie fühlt
sich gestresst und das mit gutem Grund. Ihr sechsjähriger Sohn muss operiert
werden und ihr fehlt - nicht überraschend - das Geld. No money, no medicine, no
operation. So funktioniert das hier. Hm, und jetzt? Was mache ich? Sage ich,
ich gebe niemals Geld? Vertröste ich sie und werde einfach nicht mehr zu dieser
Zeit joggen gehen und darauf hoffen, dass ich ihr nie wieder begegne? Oder gebe
ich ihr etwas Geld? Auf die Gefahr hin, dass mich dann alle anbetteln? Und sie
auch immer wieder? Das Fass ohne Boden? Oje. Was ist das Beste? Das
Vernünftigste? Das Richtige? In meiner Überrumpelung und Gutherzigkeit ist
meine erste Reaktion: „Okay, I’ll give you some money.“ Bin ich nicht auch
Mutter und würde in meiner Verzweiflung versuchen, jede Geldquelle anzuzapfen?
Sie strahlt und ich bekomme wieder einmal ein ‚God bless you.’ Da ich beim
Joggen kein cash dabei habe, verabreden wir uns für morgen. Die Zweifel kommen
postwendend zurück. Soll ich ihr tatsächlich etwas geben? Eigentlich will ich
ja nicht. Ich kann nicht jedem Geld geben, der er es nötig hat. Aber ich mag
sie. Und ich glaube ihr. Warum also nicht? Es wird mir nicht wehtun und ihr
womöglich ein Stück Lebensglück zurückgeben. Wenn ja, wie viel? Hm, und wenn
sie mich doch brandschwarz angelogen hat?
Der Richtige verdreht
erst mal die Augen, als ich ihm die ganze Geschichte erzähle. Was ich ihm nicht
verübeln kann, ich mag sie auch nicht. Finde aber, dass ich der Frau unter den
Bedingungen, dass sie niemandem sagen soll, woher sie das Geld hat und dies ein
einmaliger Zustupf sein wird, etwas geben will. Und da ich nicht damit rechne,
das Geld zurückzubekommen, wird der Betrag verschmerzbar gross sein. Der
Richtige lässt sich schliesslich von meinem Plan überzeugen, besteht aber
darauf, dass ich mir immerhin ihren Namen und ihre ID-Nummer aufschreibe. Womit
ich einverstanden bin.
Und nun mal schauen,
wohin es uns führt....
Tutaonana
African queen
Irène
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