Verrechnet

Wunderschöne Gegend rund um den Mount Kenya


Google Earth zeigte uns knapp 5 Stunden an bis zum Meru Nationalpark. Die Wahl bestand zwischen: Über Nanyuki 4h55 oder über Embu 4h18. Wenn wir nach der Schule um 13.00 Uhr gleich losfuhren, blieb uns eine Stunde um die Lodge zu finden, bevor es finster sein würde. Frohgemut und voller Vorfreude machten wir uns am Freitagmittag auf den Weg.
Gut. Oder eben nicht. Es war 19.00 Uhr und dunkel, als wir in Maua feststellten, dass wir den Abzweiger in Richtung Meru NP verpasst hatten.
In der taghellen Stadt 
Nun muss man wissen, dass afrikanische Städte für uns Mitteleuropäer schon im Hellen eine Herausforderung sind, ganz zu Schweigen von nächtens. Ich jedenfalls fühlte mich wie ein blinder Maulwurf in einem unübersichtlichen Termitenhügel voll enger Gänge verstopft mit dunklen Krabbelwesen. Einen Anruf in der Lodge, bei welchem uns die Rezeptionistin bestätigte, dass wir noch mindestens eine Stunde Fahrt vor uns hätten und der Park mittlerweile geschlossen sei (in der Weg-Beschreibung hatten wir gelesen, dass wir durch den Park zu fahren hätten) quittierten wir erst einmal mit einem ungläubigen ‚No!’. Als zweite Reaktion kam dann: „Then, we are in deep trouble.“ Was nun? 
Erst einmal das Telefon weiterreichen an Alberto, den Manager des Rhino River Camps. Und Alberto wäre nicht Italiener und seit mehreren Jahren in Kenya, hätte er nicht eine Lösung parat. Mit starkem Akzent, aber äusserst freundlich und nicht aus der Ruhe zu bringen, erklärt er dem Richtigen den korrekten Weg und verspricht, jemanden ans NP-Gate zu schicken, der uns dann safe and sound in die Lodge bringe, wo das italienische Nachtessen auf uns warte. Tja, das Essen ist die kleinste meiner Sorgen. An vorderster Stelle stehen nach die vor die Stadt und ihre Bewohner und meine Angst, dass ich früher oder später einen der unsichtbaren Fussgänger oder risikofreudigen Motorradfahrer erwische. Da die Einheimischen generell mit Volllicht durch die unbeleuchteten Strassen brettern, sind nicht einmal die Schlaglöcher zu erkennen, wenn ich auf gut Glück geblendet knapp neben den Scheinwerfern vorbeirumple. Überflüssig zu erwähnen, dass die Stimmung im Auto besser sein könnte. Die Missen müde und missgelaunt nach all den Stunden im Wagen, der Richtige hungrig und genervt, weil er als Navigator einen Fehler gemacht hat und ich grundsätzlich besorgt - um es moderat auszudrücken - ob der rundum lauernden Gefahren. Überfälle, wilde Tiere - kurz bevor die allgegenwärtige afrikanische Nacht uns verschluckte, habe ich noch das Schild gelesen: Beware of elephants crossing. Sollte ich also keinen Menschen erwischen, so würde uns womöglich ein grauer Riese in die Quere kommen - zudem spukt mir im Kopf herum, dass Meru nach wie vor ein bevorzugtes Gebiet für Wilderer ist. Aber Alberto und die Aussicht auf sein authentisch italienisches Essen schaffen es immerhin, ein Gefühl der Alltäglichkeit zu vermitteln. Man könnte dem Ganzen sogar eine gewisse Magie zugestehen, hängt der leuchtende Mond doch voll und riesig und grandios in einem warmen Orange am Firmament, so dass er Miss Lion zur Aussage verleitet: „Mami, glaubst du nicht auch, dass der Mond beschützen kann?“ Leider habe ich für diese Schönheiten nach wie vor wenig übrig, las ich doch, dass sich auch die poacher den Vollmond zunutze machen. Immerhin gelingt es mir, den Wagen im Ameisenhaufen zu wenden, wieder in den Verkehr einzufädeln und durch die Ausgehfreudigen zurück zur richtigen Kreuzung zu manövrieren. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde über schlechteste Strassen, durch quirlige Dörfer und finstere Buschwälder, erreichen wir endlich das Eingangstor zum Nationalpark, wo unser Retter tatsächlich wartet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er je mit einer solchen, ans Frenetische grenzenden, Dankbarkeit begrüsst wurde. Es geht dann zwar eine weitere Stunde über übelste Schotterpiste, durch Flüsse, Rinsen, Furchen, über Fussball grosse Steine und Oberschenkel dicke Wurzeln bevor wir wirklich aufatmen können, aber wir alle haben das Gefühl, dass uns in Joels Windschatten nichts mehr wirklich gefährlich werden kann. Die Atmosphäre im Wagen hat sich um 180° gewendet, die Missen singen ausgelassene Seeräuberlieder, dem Richtigen gelingt es trotz Dunkelheit, der Umgebung Reiz abzugewinnen und ich bin beinahe wieder zum Spassen aufgelegt. Unser braves Auto leidet zweifellos, aber wer will es mir verübeln, dass ich nach 7 Stunden am Steuer einen Felsen im Fluss übersehe? Ja, ich nehme auch die eine Stunde, die wir, ohne Umweg, länger als Google brauchten, auf meine Kappe, behaupte aber nach wie vor, dass ich den Umständen entsprechend in angemessenem Tempo fuhr. Better safe than sorry. Wir haben mehr als einen schweren Unfall auf der Strecke gesehen.
Der brave Wagen im Meru Gebiet 
Diese Erfahrung wird uns jedenfalls lehren, den Leuten von Google blindlings zu trauen, besonders wenn ich am Steuer bin...

Tutaonana
African queen
Irène

P.S. Für Nachahmer: Von Nairobi bis Meru Town sind’s mindestens 5 Stunden und von da aus sicher noch 2 bis ins Rhino River Camp.

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