Polizei unter der Hand

In der Stadt Zürich kriegen die Polizisten Auflagen. Zum Beispiel, wie viele Bussen sie im Monat zu stecken haben. Erreichen sie diese Auflage nicht, bekommen sie eine Rüge, einen Minuspunkt in der Leistungsbeurteilung, was im schlimmsten Fall, zusammen mit anderen unerfüllten Punkten, zu weniger Lohn führen kann.
In Kenia kriegen die Polizisten auch Auflagen. Wir kennen einen indisch stämmigen Kenianer, nennen wir ihn S., mit einer privaten Sicherheitsfirma und connections in die Polizei, Regierung, UN, you name it. Von S. kriegen wir jeweils die schrecklichen Bilder per whatsapp von den schlimmsten Unfällen, shootouts oder Tötungen.
Und S. erklärt uns nun, am Beispiel eines hiesigen, regionalen Polizeichefs, wie die Polizei in Kenia funktioniert. Besagter Polizeichef erhält den Auftrag, jeden Monat sagen wir KES 500'000 nach oben abzugeben. Seinerseits gibt er diesen Auftrag an seine fünf direkten Untergebenen weiter. Nur verlangt er von jedem einzelnen KES 120'000. KES 500'000 gibt er am Ende des Monats ab, die restlichen KES 100'000 wandern in seine Tasche. Die fünf Untergebenen ihrerseits verteilen den Auftrag an ihre Untergebenen, natürlich mit einem Aufschlag, den sie wiederum für sich behalten. So geht das die ganze Leiter runter und damit ist die Korruption institutionalisiert.
Umgesetzt wird das ungefähr folgendermassen: Der Bürger wird unter einem fadenscheinigen Vorwand von den Polizisten angehalten. Nun hat er zwei Möglichkeiten: die einfache und die aufwändige. Die einfache: Er bezahlt dem Polizisten zusätzlich zur Busse einen Betrag, und die Sache hat sich damit erledigt. Die aufwändige: Er weigert sich, auf Platz etwas zu geben und besteht auf den legalen Weg. Er geht mit dem Polizisten auf die Wache, der Fall wird aufgenommen, sein Wagen konfisziert, Depositum bezahlt und wenn er Glück hat, kriegt er für den nächsten Tag einen Termin vor Gericht. Der Gerichtstermin kostet ihn einen halben bis einen Tag Zeit. Er kriegt sein Urteil, bezahlt die Busse und möchte am nächsten Tag sein Auto zurückholen. Oft ist dummerweise der zuständige Polizist dann gerade nicht vor Ort, was bedeutet, er hat am nächsten Tag erneut zu kommen. Gelingt das Auslösen irgendwann, müssen noch die Standgebühren fürs Fahrzeug bezahlt werden.
Nun kann man sich selber ausmalen, welche Variante der Grossteil der Bevölkerung wählt, beziehungsweise, welche man sich überhaupt leisten kann.
S. erzählt uns weiter von dieser ‚Sondereinheit’ bei der Polizei mit einer carte blanche für extrajudicial killings. S. behauptet, viele Kriminelle in Kenia seien der Polizei bekannt. So lange sie ihre Abgaben am Ende des Monats leisten, könnten sie mehr oder weniger unbehelligt ihren Geschäften nachgehen. Bis irgendwann jemand mit Einfluss das Gefühl hat, es gäbe ein bisschen zu viele carjackings oder Einbrüche oder was auch immer. Dann wird eine der mutmasslich verantwortlichen Banden in die Falle gelockt und eliminiert. Natürlich gibt es bei diesen sogenannten shootouts niemals Zeugen, keine verletzten Polizisten, meistens werden die Kriminellen regelrecht exekutiert - und Aufsehen erregt das selten.
Nun, auch damit werden Auflagen erfüllt und Probleme gelöst.
Überprüfen, ob das nun alles stimmt, können wir ja nicht, aber vorstellbar, dass es so abläuft, ist es sehr gut.

Tutaonana
Eure African queen
Irène




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