Die liebe Komfortzone
Warme Abendluft weht
durchs offene Fenster. Es riecht nach Abgasen und Staub. Die
Strassenbeleuchtung funktioniert nicht, es ist zappenduster. Oh Gott, beinahe
hätte ich den Fussgänger umgefahren, der Mann ist tatsächlich schwarz wie die
Nacht und damit unsichtbar für mich. Ja, die Türen habe ich verriegelt. Die
Schlaglöcher sehe ich im letzten Moment. Auf der Kiambu Road brettern sie mit
Volllicht daher, wann kann ich es wagen, mich in das rasende Chaos zu stürzen?
Im Magen hockt ein kribbliger Klumpen. Jetzt, eine kleine Lücke, ich drücke
aufs Gas, Schweiss bricht aus, aber gut, ich hab’s geschafft, sause im Strom!
Erleichterung. Allerdings bleiben die Sinne geschärft und fliegen die Käfer
weiter im Bauch.
Ja, es ist Nacht und
ich bin alleine unterwegs. Definitiv ausserhalb meiner Komfortzone. Aber was
ist das eigentlich, meine Komfortzone?
Wenn ich immer Strom
und Wasser habe? Wenn mir alles in der Umgebung vertraut und bekannt ist? Wenn
ich genau weiss, wo ich was bekomme? Wenn die ärztliche Versorgung stets
garantiert ist? Wenn ich Familie und Freunde in der Nähe habe? Wenn ich mich
wohl und sicher fühle? Nun ist es ja so, dass dieser populärwissenschaftliche
Begriff mittlerweile so eine bequeme Couch-Potato-Note bekommen hat. Wer seine
Komfortzone nicht verlässt, lebt quasi das Leben eines Tigers im Zoo. Gut
gefüttert, ohne Gefahren und Herausforderungen. Ist etwas dagegen zu sagen?
Nun, man wird kaum an dieser Situation wachsen, aber will, beziehungsweise muss
man das denn?
Vor gut zwei Jahren
haben wir unsere Zürcher Komfortzone verlassen und uns mittlerweile wieder so
etwas in Rigdeways Nairobi eingerichtet. Dieser Wechsel war mit Angst oder
mindestens mulmigen Gefühlen verbunden (und wer meine Anfangsposts gelesen hat,
dem dürften sie bekannt sein. Siehe auch unter: http://kenia-in-300-tagen.blogspot.co.ke/2014/05/bin-ich-ansteckend.html
http://kenia-in-300-tagen.blogspot.co.ke/2014/05/dem-mutigen-gehort-die-welt.html
http://kenia-in-300-tagen.blogspot.co.ke/2014/05/mantras-und-andere-zustande.html
). Die meisten meiner Freunde und Bekannten hier stellen fest, dass es ungefähr
ein Jahr dauert, bis man sich in Kenia eine neue Wohlfühlumgebung gestaltet hat. Bei mir dürfte es ähnlich gewesen sein, vielleicht hat es sogar ein
Weilchen länger gedauert (siehe auch http://kenia-in-300-tagen.blogspot.co.ke/2015/12/mal-dafricque-oder-warum-ich-kenya.html
).
Nun muss man
natürlich keinesfalls nach Afrika, um die Komfortzone zu verlassen, aber für
alle, die den inneren Schweinehund selbst nur schwer überwinden, an einem Ort
wie Nairobi muss ich einfach...
Tutaonana
Eure African queen
Irène
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