Besuch im Nest

„Welcome. Es ist Besichtigungszeit. Kommen Sie.“ Ich muss die Schuhe aus-, Pantoffeln anziehen, die Hände mit Seife waschen und darf dann die Babies anschauen. Hm, im ersten Moment finde ich alles etwas seltsam und kann den Gedanken an einen Zoo nicht ganz verdrängen. Besichtigungszeit dünkt mich ein nicht ganz angemessener Begriff und zudem werde ich an Glastüren mit Blick in die Schlafräume vorbeigeführt. Aber nach dem ersten Unbehagen ist es wie in jedem anderen Kinderzimmer auch. Jedenfalls fast. Es kümmern sich zweifellos mehr Nannies um die Kleinkinder als in einem gewöhnlichen Haushalt, aber mit den Spielsachen, Sofas und überhaupt in der gemütlichen Umgebung fühle ich mich sehr bald tatsächlich wie in einem freundlichen Nest. Eigentlich besuche ich ja eine Bekannte, die vorübergehend in diesem Baby Village wohnt, weil sie vor ihrer Abreise für wenige Wochen noch eine Bleibe brauchte und sie erzählt mir, dass die schönen Holzhäuser ursprünglich gebaut wurden, damit Adoptiveltern ihre ‚neuen’ Kinder kennen lernen und mit ihnen ein paar Wochen hier leben konnten. Seit Ausländer aber keine kenianischen Kinder mehr adoptieren dürfen, stehen die möblierten Häuser oft leer und können gemietet werden. Heute bietet das Baby’s Nest Platz für bis zu 25 ausgesetzte oder vernachlässigte Babies im Alter von 0-2 Jahren. Eine der Betreuerinnen zeigt mir die verschiedenen Räume, in welchen die Säuglinge nach Alter getrennt schlafen, ich bekomme eins auf den Arm und werde gefragt, ob ich ihm die Flasche geben möchte. Die Mütter dieser Kinder sind – oft wegen geringfügiger Gesetzesüberschreitungen – inhaftiert und damit die Babies nicht sich selbst überlassen bleiben, dürfen sie im Nest leben. Langfristig möchte man die Kinder und ihre Haft entlassenen Mütter wieder in ihren Familienverband und in die Gesellschaft eingliedern.
Draussen rennen Ziegen und junge Katzen herum, es ist grün und wir sehen den Spielplatz und die alten Bäume. Wenn die Kinder nicht bei ihren Müttern sein können, so stelle ich mir vor, dass sie hier immerhin einen schönen Ersatz bekommen.
Tutaonana
Eure African queen
Irène



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