Ein Anruf für Mama Lynn
Ich habe schon zwei seiner
Anrufe verpasst, da ich mich gewohnheitsmässig ohne Telefon in Haus und Garten
bewege – bevor es jetzt also wieder klingelt. Ich gehe davon aus, dass der
Anrufer Probleme hat und sich von mir Hilfe erwartet. Genau aus diesem Grund
gebe ich für gewöhnlich keine Telefonnummer heraus. Soll ich nun trotz oder
gerade weil er mit Sicherheit in Schwierigkeiten steckt rangehen? Oder ihn
einfach feige ignorieren? Später zurückrufen? Ach, hilft doch alles nichts, ich
nehme ab.
Nach der freundlichen
Begrüssung wechseln wir ein paar Worte über das Wohl der Familie und Linus
erwähnt dabei, dass die Grossmutter gestorben ist. Mit gut 90 Jahren, ein
stattliches Alter. Will er Geld für die Beerdigung? Er hat noch nichts gesagt,
also plaudern wir weiter. Er ist mit seinen Arbeitgebern umgezogen und erzählt
von diesem grossen Garten, den er neu zu bearbeiten hat, und dass er sich nicht
sicher sei, dem gewachsen zu sein. Und heute Morgen nun hatte er einen
fürchterlichen Krach mit dem Ehemann seines Boss’, die für die UN arbeitet und
die er gestern um einen Vorschuss bat, weil doch seine Kinder in die Schule
müssen und er das Schulgeld zu bezahlen hat. Aha, allmählich nähern wir uns
wohl dem Kern der Schwierigkeiten. Irgendwann werden wir unterbrochen, sein
Kredit ist aufgebraucht, aber wenige Minuten später ruft er zurück. Er druckst
ein bisschen herum und kommt dann endlich auf den Punkt: Eigentlich will er
mich nur daran erinnern, dass seine Frau eine Arbeitsstelle sucht, falls ich
jemanden wüsste? ... Ich kenne die Familiengeschichte und es tut mir so leid,
aber ich weiss im Moment niemanden, der eine Haushaltshilfe sucht. Am liebsten
würde Linus halt auch die Stelle wechseln, er könnte nebst Guard und Gärtner
auch noch Fahrer machen. Wissen wir wirklich gar niemanden, der ihn einstellen
könnte? Ach, Linus, nein, so leid es mir tut, wir kennen wirklich niemanden, der jemanden braucht. Ich verspreche ihm einmal
mehr, ihn und seine Familie im Hinterkopf zu behalten und mich sofort zu
melden, sollte mir etwas zu Ohren kommen.
Ja, ich finde es
schwierig zu sehen, wie wenig diese Menschen verdienen und womit sie auskommen
müssen, was sie sich bieten lassen, um ihre Arbeitsstelle und sei sie noch so
schlecht, behalten zu können. Sie arbeiten und arbeiten und dennoch reicht es
hinten und vorne nicht. Es ist manchmal belastend, und ich weiss nicht genau,
wie ich damit umgehen soll.
Das schlechte
Gewissen – dass es uns unverdient so viel besser geht - ist latent da.
Tutaonana
Eure African queen
Irène
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